Warum Schaltzeiten im Projekt oft unterschätzt werden
Schaltzeiten beeinflussen Taktzeit, Prozessstabilität und – bei hohen Schaltfrequenzen – auch die thermische Belastung von Spule und Ventil. In der Praxis kommt hinzu: Die im Datenblatt angegebenen Werte sind nur unter definierten Prüfbedingungen gültig. Ohne klare Messdefinition werden daher häufig nicht vergleichbare Werte gegenübergestellt.
Typische Schaltzeiten für Magnetventile:
- Weichdichtende Magnetventile: ca. 10ms bis 20ms und typischerweise 10Hz
- Schnellschaltmagnetventile: ca. 1ms bis 5ms und maximal 1000Hz
- Hartdichtende Magnetventile: unter 1ms und maximal 3000Hz
Begriffe: Was genau ist mit „Schaltzeit“ gemeint?

In Datenblättern werden mehrere Zeitgrössen gemischt. Für eine saubere Messung müssen mindestens diese drei Punkte festgelegt werden:
- Eingangssignal: z. B. die Spannung am Ventilstecker, der Spulenstrom oder ein Steuersignal aus der SPS.
- Ausgangssignal: z. B. Druckanstieg am Arbeitsanschluss, ein Durchfluss-Sprung oder (bei Ventilen mit Positionssensor) der Schieberhub.
- Schwellwerte: z. B. 10/90%-Kriterien oder definierte Absolutwerte.
Eine verbreitete Definition ist die Zeitdifferenz zwischen 10% des Eingangssignals und 90% des Ausgangssignals; beim Abschalten entsprechend 90% zu 10%. Die meisten Pneumatikventilhersteller definieren die Schaltzeit nach diesem Kriterium.
Was soll gemessen werden: Ventildynamik oder Systemdynamik?
Eine Druck- oder Durchflussmessung bildet nicht nur das Ventil ab, sondern immer auch das angeschlossene Volumen, Drosseln, Schläuche, Druckregler und ggf. einen nachgeschalteten Verbraucher. Das ist erwünscht, wenn die Schaltzeit in der realen Anwendung bewertet werden soll. Für einen reinen Ventilvergleich muss der Aufbau so gestaltet werden, dass der Einfluss des Systems klein und reproduzierbar bleibt.
Messaufbau: Bewährte Signale und Messmittel
Elektrische Seite (Eingang)
- Spannung am Ventil: Messung direkt am Ventilstecker, nicht am SPS-Ausgang (Leitungsabfall, Ausgangsstufe).
- Spulenstrom: Shunt-Widerstand oder Stromzange; hilfreich, um Magnetisierungsphase, Haltestrom (PWM) und Abschaltphase zu erkennen.
- Trigger: Oszilloskop/DAQ auf den elektrischen Sprung triggern, damit Messreihen vergleichbar werden.
Pneumatische Seite (Ausgang)
- Drucksensor am relevanten Anschluss (z. B. A oder B) mit ausreichender Bandbreite. Lange Schlauchleitungen zum Sensor verfälschen schnelle Flanken.
- Durchflussmessung ist möglich, aber stark abhängig von nachgeschalteter Drossel/Last und Sensorprinzip.
- Positionssignal (falls vorhanden): direkteste Aussage zur Ventilmechanik (Schieber/Anker), meist weniger systemabhängig.
Vorgehen Schritt für Schritt (praxisorientiert)
- Randbedingungen festlegen: Versorgungsspannung, Druckniveau, Medium (Luft, inert, Flüssigkeit), Temperatur, Ventiltyp (direktgesteuert, vorgesteuert), Einbaulage.
- Aufbau stabilisieren: Druckregler und Versorgung so auslegen, dass beim Schalten kein relevanter Versorgungseinbruch entsteht. Downstream-Volumen definieren (z. B. Prüfvolumen).
- Signale erfassen: mindestens „Spannung am Ventil“ und „Ausgang (Druck/Position/Flow)“ gleichzeitig messen.
- Schwellwerte definieren: 10%/90% bezogen auf den jeweiligen Endwert (z. B. stationärer Druck vor/nach dem Schaltvorgang).
- Statistik bilden: mehrere Zyklen messen (z. B. 30–100) und Mittelwert plus Streuung angeben. Einzelwerte sind selten repräsentativ.
Typische Fehlerquellen (und wie sie vermieden werden)
- Falscher Triggerpunkt: Ein SPS-Bit ist kein reales Eingangssignal am Ventil. Messung am Ventilstecker reduziert Interpretationsfehler.
- Freilaufbeschaltung: Dioden, Varistoren oder aktive Abschaltstufen verändern die Ausschaltzeit teils deutlich (Energieabbau im Magnetkreis). Für Vergleiche muss die Beschaltung identisch sein.
- Sensor- und Abtastrate: Eine zu langsame Messkette „glättet“ Flanken. Für Millisekunden-Ereignisse sind kHz–10 kHz Abtastraten und passende Sensorbandbreiten üblich.
- Vorgesteuerte Ventile: Pilotdruck und Pilotweg sind Teil des Dynamikverhaltens. Ohne definierte Pilotbedingungen sind Messwerte wenig übertragbar.
Welche Angaben gehören in einen Messbericht?
Für Vergleichbarkeit sollten mindestens folgende Punkte enthalten sein:
- Ventil: Typ/Grösse, direkt/vorgesteuert, Dichtprinzip, Nennspannung.
- Ansteuerung: DC/AC, Spannung am Ventil, PWM/Peak&Hold, Freilaufbeschaltung.
- Pneumatik/Fluid: Medium, p1/p2 bzw. Δp, Temperatur, Prüfvolumen/Schlauchlängen, Drosseln/Last.
- Messkette: Sensoren (Typ/Bandbreite), Abtastrate, Filterung, 10/90%-Definition.
- Ergebnis: tE/tA als Mittelwert und Streuung (z. B. Standardabweichung), Anzahl Zyklen.
Einordnung für die Komponentenauswahl
Bei Pneumatikventilen und Prozessventilen ist häufig weniger der absolute Bestwert entscheidend als die Reproduzierbarkeit unter realen Randbedingungen. Für schnelle Taktung lohnt es sich, Schaltzeitwerte zusammen mit der geplanten Ansteuerung (inkl. Abschaltbeschaltung) zu betrachten.

